Tiny Church-Trend

Kleine Kirche für grossen Gott

Nach kleinen Häusern – sogenannten Tiny Houses – sind jetzt auch kleine Kirchen im Trend.
Wenn die Menschen nicht mehr zur Kirche gehen, muss die Kirche eben zu den Menschen kommen. Das funktioniert bei der «Tiny Church» wortwörtlich: Eine Mini-Kirche kommt auf Rädern zu den Menschen.

«Tiny houses» sind seit Jahren im Trend. Anstatt in grossen Einfamilienhäusern zu wohnen, machen es sich immer mehr Menschen in kleinen Mini-Häusern gemütlich. Manchmal sind diese sogar mobil, können also ihren Standort wechseln. Dieses Konzept ist längst auch auf Kirchen übertragen worden: Eine «Tiny Church» aus Paderborn stellt ein mobiles Gotteshaus dar – oder besser ein «Gotteshäuschen».

Der Nachrichtensender n-tv berichtet über die ungewöhnliche Idee in einem ausführlichen Online-Artikel und spricht von einer «XS-Kapelle». Wenn die Kirche als Anhänger durch die Lande gezogen wird, sorge sie für erstaunte Gesichter, heisst es im Bericht. «Viele Leute schmunzeln, wenn die Tiny Church mit dem Kennzeichen PB TC 777 im nordrhein-westfälischen Paderborn ihren Weg kreuzt.» Ein Schriftzug verkündet: «Tiny Church – Die Friedenskirche». Der Holz-Wellblech-Bau ist 8,10 Meter lang, 3,75 Meter hoch und 3,5 Tonnen schwer.

Die «Tiny Church» ist eine Initiative des Kolping-Schulwerks in Paderborn. Auf dem Kolping-Gutshof im Kreis Höxter steht die mobile Kirche, wenn sie nicht auf Achse ist. Das Ziel war es, die Mini-Kirche auf Rädern für die pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen einzusetzen. Mittlerweile steht die rollende Kirche aber auch anderen Besuchern offen – für Gebete oder als Rückzugsort. Man kann die vom TÜV abgenommene rollende Kapelle inzwischen sogar ausleihen.

«Auch Nicht-Christen können andocken»

Innen gibt es ein Pult zum Aufstellen, Sitzhocker für die Gäste und Lautsprecher. Eine Photovoltaik-Anlage gehört dazu, demnächst soll sie noch um eine Glocke erweitert werden. Es gibt Farbbeleuchtung, man kann Musik einspielen oder sich ein «Gebet für den Frieden» aufs Handy schicken lassen. Allerdings gibt es keinen Altar, keine kirchlichen Symbole, kein Kreuz mit Korpus. Die Kapelle sei bewusst «funktional-puristisch» gehalten, sagt Kolping-Diözesanpräses Sebastian Schulz gegenüber n-tv.

Auch wer kein Christ sei, könne «andocken». Von überall auf der Welt lässt sich sogar virtuell eine Kerze anzünden, die dann 72 Stunden lang «brennt» und in der Tiny Church auf einem Bildschirm flackert. Das Erzbistum Paderborn fördert die «innovative Idee» finanziell und spricht von einem «zukunftsorientierten Konzept einer Kirche, die sich auf den Weg macht und im sozial-kirchlichen Raum unterwegs ist.»

Auch an anderen Orten gibt es bereits «Tiny Churches». In der baden-württembergischen Gemeinde Ruppertshofen unweit von Stuttgart ist das schon seit 2014 der Fall. Die bewegliche Mini-Kirche ist fünf Meter lang, 2,50 Meter breit und hat eine Glocke und einen Altar. «Sie ist immer wieder im Einsatz, vor allem im Sommer für Gottesdienste im Freien», sagt der evangelische Pfarrer Uwe Bauer gegenüber dem Nachrichtensender. «Die Menschen kommen immer weniger in die Kirche, aber wenn die Kirche zu ihnen kommt – auf den Campingplatz, auf den Parkplatz, an den See, dann sind die Leute da.» Inzwischen befördert die rollende Kapelle Bänke für 150 Personen, die auch alle aufgestellt und immer voll besetzt sind.

«EKD: Kirche muss flexibler, bunter und vielfältiger sein»

Die Evangelische Kirche in Deutschland teilte auf Anfrage gegenüber n-tv mit: «Kirche muss flexibler und an wechselnden Orten präsent sein. Gemeinden werden bunter und vielfältiger, die geistlichen Bedürfnisse und Erwartungen der Menschen unterschiedlicher.» Die Nähe zu den Menschen bleibe für die kirchliche Arbeit grundlegend, und Tiny Churches seien «eine gelungene Möglichkeit, um sich auf den Weg zu den Menschen zu machen».

Auch in Frankfurt am Main bereitet die Pfarrei St. Jakobus derzeit den Bau einer Mini-Kirche auf Rädern vor. Das Bonifatiuswerk fördert das Projekt im Lyoner Quartier mit 20'500 Euro. Eigentlich war das Stadtviertel in Frankfurt am Main als reine Bürostadt geplant. Ein grosser Nahrungsmittelkonzern und viele weitere Grossunternehmen haben dort ihren Sitz. Nun gibt es zwischen den Hochhausschluchten aber auch Wohnhäuser. «Im Quartier gibt es keine Treffpunkte wie Gemeindehäuser, kaum Spielplätze und nur in den Randbereichen etwas Gastronomie», sagt George Kurumthottikal, Projektreferent bei der katholischen Kirchengemeinde.

Das Tiny House aus Holz, das in seiner Kreuzform als Kirche erkennbar sei und 85'000 Euro teuer ist, soll dabei als Ort der Begegnung dienen und spirituelle Angebote geben. Zum Jahresende soll die Tiny Church fertig sein. «Bisher haben wir überwiegend eine Komm-Kultur – hinein in die Kirche im Dorf oder in die Kirche in der Stadt, die als Immobilien sehr präsent sind», sagt Kurumthottikal. «Wir gehen jetzt raus, in ein Viertel hinein.»

Dieser Artikel erschien bei PRO Medienmagazin.

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Datum: 23.07.2024
Autor: Jörn Schumacher
Quelle: PRO Medienmagazin

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